Die Theorie der Midlife-Krise, vorgestellt von Elliott Jaques, ist bereits seit den 1950er Jahren bekannt und hat seitdem viel Aufmerksamkeit erhalten. Der kanadische Psychoanalytiker prägte diesen Begriff, um die Herausforderungen zu beschreiben, denen Menschen in der Lebensmitte gegenüberstehen.

Seit dieser Zeit wurden zahlreiche Untersuchungen zu diesem Phänomen durchgeführt, wobei die Ergebnisse oft uneinheitlich sind. Einige Studien deuten darauf hin, dass die Lebensmitte keineswegs eine Phase der Trübsal ist. Tatsächlich haben Forscherinnen und Forscher festgestellt, dass viele Menschen im Alter von 40 bis 60 Jahren über Charakterstärken verfügen, die sie von anderen Altersgruppen unterscheiden. Diese Stärken sind wertvolle Ressourcen, die ihnen auch in schwierigen Situationen wie dem Verlust eines Angehörigen zugutekommen können.

Diese Stärken zeigen sich in mindestens fünf verschiedenen Bereichen:

  1. Persönlichkeit: Eine Langzeitstudie mit über 2000 Teilnehmern, die neun Jahre lang begleitet wurden, ergab, dass die meisten von ihnen in dieser Zeit weniger neurotisch wurden und gleichzeitig an Belastbarkeit und Selbstbewusstsein gewannen. Interessanterweise bemerkten die meisten Befragten diese Veränderungen an sich selbst nicht, aber die wiederholten Fragebögen der Forscher zeigten deutliche Unterschiede.
  2. Unabhängigkeit: Eine amerikanische Studie mit Frauen im Alter von 43 bis 52 Jahren zeigte, dass sie im Laufe der Jahre weniger abhängig und selbstkritisch wurden, stattdessen aber an Selbstbewusstsein, Verantwortungsbewusstsein und Entscheidungsfreudigkeit gewannen. Diese Veränderungen waren unabhängig vom Familienstand und resultierten aus einer reflektierten und analytischen Herangehensweise an Herausforderungen.
  3. Empathie: Untersuchungen in den USA und Großbritannien ergaben, dass Frauen in ihren 50ern in Bezug auf Empathie herausragten. Sie waren bereit, sich emotional auf andere einzulassen und investierten mehr Mühe in das Verstehen ihrer Mitmenschen. Eine britische Studie zeigte, dass die kognitive Empathiefähigkeit im Alter zwischen 35 und 55 Jahren auf ihrem Höhepunkt war.
  4. Kreativität: Viele Menschen erleben in der Lebensmitte eine Phase höchster kreativer Produktivität. Das Gehirn ist in dieser Zeit besonders gut darin, Verbindungen herzustellen, Muster zu erkennen und Probleme zu lösen. Menschen in mittlerem Alter profitieren von ihrem reichen Wissensschatz, den sie in kreativen Tätigkeiten nutzen können.
  5. Geduld: Personen mittleren Alters zeigen in westeuropäischen und englischsprachigen Ländern im Vergleich zu jüngeren und älteren Menschen die größte Geduld. Diese Geduld könnte ein Schlüssel zur beobachteten Zufriedenheit in der mittleren Altersgruppe sein, die sich in einer erhöhten Lebenszufriedenheit und positiven Emotionen manifestiert.

Die Lebensmitte kann also eine Zeit des persönlichen Wachstums und der Entfaltung von Stärken sein, die in verschiedenen Bereichen wie Persönlichkeit, Unabhängigkeit, Empathie, Kreativität und Geduld zum Ausdruck kommen.