Geht die ca. 500jährige Ära der Arbeitszeugnisse nun endgültig zu Ende?
Arbeitszeugnisse unterliegen seit jeher herber Kritik, sei es, weil sie oft selbst erstellt werden oder von Personen, die die Arbeit des zu Beurteilenden gar nicht bewerten können. Hinzu kommt ein Verlust von Individualität und Aussagekraft durch die Nutzung von Zeugnisgeneratoren, die andererseits für eine gute Vergleichbarkeit der Zeugnisse sorgen. Je mehr Unternehmen Standardformulierungen verwenden, desto einfacher können bestimmte Aussagen miteinander verglichen werden.
Doch ist das alles wirklich noch zeitgemäß? Laut einer Umfrage von personal total verlangen 87 Prozent der Arbeitgeber die Vorlage von Arbeitszeugnissen. Und schon 77 Prozent lehnten Bewerbungen aufgrund der vorgelegten Zeugnisse ab. Und das obwohl zwei Drittel der Arbeitgeber schon selbst eine aus ihrer Sicht eigentlich zu positive Beurteilung ausgestellt haben. Über 80 Prozent der Personalverantwortlichen geben sogar an, dass sie einige (63 Prozent) oder sogar zahlreiche (20 Prozent) Fälle kennen, in denen ein Zeugnis vom Mitarbeiter selbst erstellt wurde.
Zahlen, die den Wert und die Aussagekraft von Zeugnissen wirklich anzweifeln lassen. Doch solange sie noch Bestand haben, sollten wir uns die wesentlichen Punkte in Zeugnissen einmal ansehen.
Das überzeugende Ende
Das Wichtigste in einem Arbeitszeugnis ist heute die Schlußformulierung – da Diese – wie das Bedauern über das Ausscheiden, der Dank für die erfolgreichen Leistungen und die Zukunftswünsche, nicht einklagbar sind. Nach wie vor bleibt es dem Arbeitgeber überlassen, wie diese Formulierungen ausfallen und ob er sie in ein Zeugnis aufnimmt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bestätigte im Dezember 2012 in einem Urteil, dass die Dankes- und Bedauernsformel in Arbeitszeugnissen weiterhin freiwillig durch den Arbeitgeber genutzt werden kann. Das Gericht ist der Ansicht, dass “das Fehlen der Abschlussformel keine Auslassung im Sinne eines unzulässigen Geheimzeichens darstellt, die Formulierungssouveränität des Arbeitgebers habe weiterhin Gültigkeit. ”
Und genau das ist der Grund, warum diese Formulierungen eine große Bedeutung haben. Grob kann gesagt werden, dass eine fehlende Teilformulierung die Note um 1 herabsetzt. Eine komplett fehlende Schlußformulierung bedeutet jedoch – Note 5.
Wer hat´s gesagt?
Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Unterschriften. Das Zeugnis sollte grundsätzlich von einer hierarchisch über dem Zeugnisnehmer stehenden Person unterzeichnet werden und zweitens gilt zwei Unterschriften sind besser als eine. Um deutlich zu machen, wer unterschrieben hat, stehen unter der handschriftlichen Unterschrift der Name und die Funktion des Unterzeichnenden in Maschinenschrift.
Wann hat er´s gesagt?
Ebenso spielt der Faktor Zeit eine wesentliche Rolle. Ein Abschlusszeugnis sollte unbedingt auf den letzten Tag des Arbeitsverhältnisses lauten, gleichgültig ob der Austritt durch Anrechnung von Urlaub oder Freistellung vorab erfolgte oder nicht. Ein Datum, das nach dem Austrittsdatum liegt, kann Missverständnisse hervorrufen, da hier interpretiert werden könnte, dass ein Streit um das Zeugnis im Zweifel sogar ein Rechtsstreit erfolgt ist. Beides wirft ein schlechtes Licht auf den Bewerber.
Wie wurde es gesagt? – Fehler im Arbeitszeugnis
Neben all den bekannten Formulierungshilfen gibt es einige Aspekte, die sich nicht im Generator wiederfinden, die aber dennoch zu einer Ablehnung aufgrund des Zeugnisses führen können. Diese Faktoren sind – fehlende Individualität. Auch wenn der Generator mit seinen Standardformulierungen immer mehr zum Einsatz kommt, zeichnet sich ein wirklich sehr gutes Zeugnis durch individuelle Formulierungen und konkrete Erfolgsbeispiele aus. Fehlen diese Beispiele, kann von mangelnder Wertschätzung gesprochen werden.
Rechtschreib- oder Grammatikfehler – fallen immer auf den Zeugnisinhaber zurück und nicht auf den Aussteller, ebenso Stilfehler. Sehr häufig ist hier zu finden: „Sie“ als Anrede groß geschrieben, Passivformulierungen – z. B. war in der Lage seiner/ihre Aufgaben erfolgreich durchzuführen – hier stellt sich die Frage, hat er/sie es auch getan? Zudem sollten in Zeugnissen Formatierungen wir Fett- oder Kursivdruck vermieden werden, ebenso sollte die Formatierung Block- oder Flattersatz durchgängig sein.
Ein Arbeitseugnis zeichnet sich zudem durch eine ganz klare Strukturierung aus, wird diese verletzt, kann man ebenfalls von einem fehlerhaften Zeugnis sprechen. Einzuhalten ist:
Einstieg, Unternehmensbeschreibung (kurz), Aufgabenbeschreibung (wertungsfrei), Leistungsbewertung – diese endet mit der Gesamtzufriedenheitsaussage), Verhaltensbeurteilung und Abschluss.
Innere Widersprüche: Wem zum Beispiel ein „stets zur vollsten Zufriedenheit“ ausgestellt wurde, bei dem sollten sich auch bei den Einzelbewertungen Verstärkungen wie „stets, immer, in jeder Hinsicht usw.“ finden und konkrete Erfolge, ansonsten kann dieses Zeugnis schnell als Gefälligkeitszeugnis, als selbst geschriebenes Zeugnis oder als unglaubwürdiges Zeugnis gelten.
Nicht nur in klein- und mittelständischen Unternehmen sitzen keine Zeugnisprofis und daher können diese Schnitzer vorkommen und in den wenigsten Fällen sind sie gewollt. Ein freundliches Zugehen auf den Aussteller mit der Bitte um Korrektur bringt meistens den gewünschten Erfolg.
Aus meiner Sicht überleben Arbeitszeugnisse sich selbst und die Ära geht zu Ende – abgelöst von Referenzen, wie es fast auf der ganzen Welt sowieso schon üblich ist – nur noch nicht so bald.